Predigt zum Aschermittwoch, 2.3.2022 (2. Mose 32,1-6+15-20)

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  • Zuletzt aktualisiert 2. März 2022

Predigt zum Aschermittwoch, 2.3.2022 (2. Mose 32,1-6+15-20)

Als aber das Volk sah, daß Mose ausblieb und nicht wieder von dem Berge zurückkam, sammelte es sich gegen Aaron und sprach zu ihm: Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat. Aaron sprach zu ihnen: Reißt ab die goldenen Ohrringe an den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter und bringt sie zu mir. Da riß alles Volk sich die goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron. Und er nahm sie von ihren Händen und bildete das Gold in einer Form und machte ein gegossenes Kalb. Und sie sprachen: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat! Als das Aaron sah, baute er einen Altar vor ihm und ließ ausrufen und sprach: Morgen ist des HERRN Fest. Und sie standen früh am Morgen auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Dankopfer dar. Danach setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um ihre Lust zu treiben. …

Mose wandte sich und stieg vom Berge und hatte die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand; die waren beschrieben auf beiden Seiten. Und Gott hatte sie selbst gemacht und selber die Schrift eingegraben. Als nun Josua das Geschrei des Volks hörte, sprach er zu Mose: Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager. Er antwortete: Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz. Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn, und er warf die Tafeln aus der Hand und zerbrach sie unten am Berge und nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und ließ es im Feuer zerschmelzen und zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab's den Israeliten zu trinken.

Liebe Gemeinde,

“Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht”, hat die Außenministerin letzten Donnerstag gesagt, nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat.

Aber hat sich wirklich die Welt geändert? So unmenschlich das ist, was ein skrupelloser Machthaber wie Putin tut – wir wissen als Christen, dass das zugleich ganz “menschlich” ist: Wir haben als Menschen eine Anlage zum Bösen in uns. Wir sind dazu fähig. Und wir sind versucht, es zu tun. Es gibt hier keine Welt ohne Krieg und ohne Verbrechen. Damit wir zusammenleben können, brauchen wir deshalb eine Armee, Polizei und Gesetze.

Putin hat die Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens verletzt, hat Baerbock gesagt. Die Weltgemeinschaft bricht deshalb die Verbindung mit ihm ab: Im Flugverkehr, im Geldverkehr, im Sport.

Wo die Regeln des Zusammenlebens verletzt werden, da zerbricht Gemeinschaft. Daran erinnert uns der Aschermittwoch, mit dem die Fastenzeit bis Ostern beginnt. Das ist in der Heiligen Schrift in dem Wort “Sünde” zusammengefasst. Und das gilt nicht nur da, wo ich Regeln verletze, die die Mehrheit um mich herum für richtig hält, oder meine eigenen. Sondern da, wo ich Gottes Regeln für das Zusammen­ leben übertrete. Ob mir das bewusst ist oder nicht. Also auch da, wo ich denke, dass meine Absichten dabei gut sind.

Gute Absichten gab es im Volk Israel. Gott hatte ihnen durch Mose gesagt, was sein Wille war für ihr Zusammenleben mit ihm und untereinander. Und alle hatten geantwortet: So wollen wir leben, darauf wollen wir hören. Stiere waren geopfert worden für Gott, das Volk war mit ihrem Blut besprengt worden als sichtbares Zeichen für den Bund. Mose war mit 70 Ältesten auf den Berg gestiegen und sie hatten in Gottes Gegenwart gegessen.

Unglaublich, könnte man sagen, dass  Gott ihnen Gemeinschaft mit sich schenkt. Und dass er es durch einen Menschen tut, durch Mose. Aber sie hatten es ja schon erfahren, sie glaubten das ja.

Oder nicht? Mose bleibt lange weg. Und es kommt Unruhe auf: Der kommt vielleicht nicht zurück. Manchen wäre es es auch lieber so. Und dann eine gute Absicht – ja, ich denke, man kann das so verstehen: Sie wollen einen Gottesdienst, der zeigt, wie viel ihnen das alles bedeutet. Und sie sind bereit, dafür viel zu geben. Den goldenen Schmuck, den jede Frau vor dem Auszug aus Ägypten von ihrer ägyptischen Nachbarin nehmen sollte, neben silbernem und wertvollen Kleidern. Das war nachträglich der Lohn für ihre Arbeit, der ihnen vorenthalten worden war.

Den geben sie nun her. Und Aaron fühlt sich in der Minderheit, lässt sich unter Druck setzen, macht mit. Die Leute stehen Schlange mit ihren Ringen und Ketten, die werden eingeschmolzen und in eine Form gegossen. Warum ein Stier, steht hier nicht. Weil Gott selbst den Bund mit Stieropfern mit ihnen geschlossen hat? Weil das das mächtigste Haustier ist? Und warum ein junger Stier? Weil der am Anfang seiner Kraft ist als Zuchtbulle? Oder, ironischerweise, weil's zu mehr als einem “Kalb” dann doch nicht gereicht hat?

Trotzdem, eine gute Absicht kann man vielleicht auch darin noch sehen: sie sagen, Gott hat uns aus Ägypten geführt – das ist er. Jetzt können wir ihn sehen. Und ihm viel besser zeigen, dass wir ihn verehren.

Aber lasst uns einmal genau hinsehen. Und dabei in dieser Gesellschaft unten am Fuß des Bergs Sinai auf vier Dinge achten: 1. die Ohren. 2. die Münder, 3. die Körper und 4. das Innerste der Menschen.

  1. Die Ohren: gerade noch waren da überall die Ohrringe. Die hatten sie Gott zu verdanken. Sie standen da als reiche Leute. Doch jetzt sieht man da nichts Wertvolles mehr. Sicher, dafür haben sie das goldene Kalb. Für kurze Zeit.
  2. Die Münder: gerade noch haben sie damit gesprochen: Sie wollen alles tun, was Gott sagt. Jetzt fressen und saufen sie damit. Und die Stimmung heizt sich sexuell auf. Was da jetzt aus den Mündern grölt, kann man sich denken.
  3. Die Körper: Die Gemeinschaft, die sie jetzt suchen, ist eine ohne Verantwor­ tung für den anderen, mit dem man es da treibt. Eine, die nur an sich denkt. Was mich antreibt, sexuell, das muss ich ausleben dürfen, heißt es. Und wenn sie diesen neuen Gottesdienst mit Leib und Seele feiern und mit Hingabe – wer darf darüber urteilen?

Gott tut es: Das hat mit der Beziehung zu ihm nichts zu tun. Sie haben es doch schon gehört: Du sollst nicht töten. Das heißt auch, sich selbst und dem anderen am Leib keinen Schaden tun. Darunter fällt auch das maßlose Essen und das ­ . Und: Du sollst nicht ehebrechen. Sexualität, das Ausleben des Verlangens nach dem anderen Geschlecht gehört in die Ehe; auch wenn das nicht leicht ist für einen jungen Menschen, der sich das wünscht; für den oder die, der diesen einen lieben Menschen eben nicht hat, aber doch nichts verpassen will; so sehr die Gesellschaft es für normal hält, dass man ohne die Ehe in dasselbe Schlafzimmer zieht. Ja, die Sexualität, die wie nichts anderes den ganzen Menschen mit Leib und Seele umfasst, gehört in die untrennbare Bezie­ hung zwischen einem Mann und einer Frau – auch wenn es Notsituationen gibt, wo die Trennung die kleinere Not wird. Aber dabei zerbricht immer etwas, und der Preis ist hoch.

Aber sie wollten an die Stelle von Gottes Regeln ihre eigenen setzen. Damit haben sie die Gemeinschaft zerbrochen. Aus und vorbei. Es kommt zum Knall. Die Steintafeln mit den Geboten zerbrechen am Felsen.

Und Mose schmilzt das Bild ein, das sie angebetet haben, gegen Gottes Gebot. Der mächtige “Stier” wehrt sich nicht, sagt keinen Ton. Das Feuer vernichtet seine Form. Mose zerreibt das Gold wie Mehl, streut es auf ihr Trinkwasser. Und wir sehen noch einmal dieselben vier Dinge: nackt sind ihre Ohren, weil sie auf Gottes Wort nicht gehört haben. Durch den Mund sollen sie nun ihren “Gott” aufnehmen. In ihr Innerstes. Aber das ist kein Schatz im Herzen, den sie da bekommen. Der verlässt sie durch die Hintertür. Mit dem Stuhlgang. Wie armselig.

Aber da hat Mose schon mit Gott gerungen. Nein, er hat ihm nicht vorgerechnet, dass es doch auch hier und da etwas Gutes an dem Volk gibt. Er hat ihn an zwei Stellen gepackt, an dem du nur diesen Gott packen kannst: 1. Bei seiner Ehre. Was sollen die anderen sagen, wenn du dein Volk jetzt in der Wüste im Stich lässt? Gottes Ehre ist es, dass er den Sünder rettet, der es nicht verdient hat. Das ist der erste Satz, den er selbst in Stein gemeißelt hat, für uns Menschen: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich erlöst hat. 2. Mose packt Gott bei seiner Treue: Denke an das, was du Abraham versprochen hast. – Solche Treue hat der Stier nicht, an dem sie jetzt zu schlucken haben. Der ist genauso stumm wie ein volles Bankkonto. Wenn es darauf ankommt, hat das nichts zu sagen.

Und jetzt sind wir, am Aschermittwoch, bei unserem eigenen Ohr, unserem Innersten, unserm Leib und unserer Seele, unserm Mund. Denn durch einen Menschen wie wir, durch seinen Sohn, hat Gott geredet. Er will nicht, dass wir als armselige Sünder umkommen. Er hat seine Ehre aufgegeben, um uns zu retten. Als junger kräftiger Mann wurde sein Körper vernichtet, seine Knochen zerrieben in der Folter. Für dich hat er's getan. Hörst du's mit deinem Ohr? In dein Innerstes will er einziehen, mit seiner Gerechtigkeit und seiner Liebe. In dein Herz. Durch deinen Mund, indem du seinen Leib und sein Blut isst und trinkst. Da schließt er mit dir den neuen Bund, in dem er dich mit seiner Kraft hält. Dass du mit Leib und Seele in der Gemeinschaft lebst, die er will, mit deinen Mitmenschen und mit ihm. Nach seinen Regeln. Und mit deinem Mund sagst: Ich will das alles hören. Und ich will es tun. So wahr mir Gott helfe. Nicht als Sklave deines eigenen Verlangens oder der Regeln von Menschen. Sondern als freier Mensch, der reich ist, weil er den Gott hat, der als einziger sichtbar in diese Welt gekommen ist und als einziger aus aller Not herausführt, und ihn mit Leib und Seele ehrt, in dieser Welt und in der neuen, die mit ihm kommt. Amen.

(Predigtreihe IV neu,

Daniel Schmidt, P.)